Neufahrn bei Freising
Die Sitzsack-Toten
In Neufahrn bei Freising stieß man im Frühjahr 2021 auf eine große Anzahl archäologischer Befunde aus dem Frühen Mittelalter. Diese bilden wohl den Kern des historischen Neufahrn („Niuuiura“), welches 804 erstmals urkundlich Erwähnung fand. Die Siedlungsspuren umfassen neben einem großen Kreisgraben von 8 m Durchmesser, fünf Brunnen und elf Grubenhäusern auch ein über 20 m messendes Langhaus.
Zu den interessantesten Entdeckungen gehörten jedoch sieben menschliche Skelette, drei Frauen und vier Männer im Alter von 25 bis 60 Jahren. Begraben wurden die Individuen teils in Doppel- und Dreierbestattungen und immer in unmittelbarer Nähe zu Grubenhäusern, Häusern oder Brunnen.
Das Besondere an zweien dieser Befunde war, dass es zugleich um Gräber und Brunnen handelte. Drei der Leichname waren direkt über kurz zuvor verfüllten Brunnenschächten platziert worden. Das verfüllte Material sackte in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten sukzessive nach, sodass mittig jeweils eine Kuhle entstand, in die die darüber gebetteten Toten bis zu 40 cm tief nachsackten. Das resultierende Bild ist wohl am ehesten mit „wie in einem Sitzsack liegend“ zu beschreiben.
Das wiederholte Auftreten dieser äußerst ungewöhnlichen Bestattungsform lässt auf Systematik schließen. Eine denkbare Erklärung für dieses Phänomen könnte die Aufgabe des Siedlungsortes nach einer Katastrophe, wie z. B. einer Epidemie, sein. In diesem Fall wären die Siedlungsspuren durchweg in die Zeit vor den Grablegungen zu datieren.
Doppelbestattung (links) mit angrenzender Nachbestattung (rechts)
Fotografische und zeichnerische Dokumentation
Mittig eingesackte Liegeposition der Skelette der Doppelbestattung (oben), gezeichneter Brunnen unter der Doppelbestattung (unten)
Luftbild eines Grabgruben-Brunnen-Befundes
Doppelbestattung im Brunnen und Nachbestattung rechts daneben (linke Bildhälfte) und großer Brunnen (rechte Bildhälfte)
Langhaus mit über 20 m Länge, Ausrichtung Ost-West




