Wallersdorf, Zeholfingerstraße II
2022 stellte uns die schiere Größe eines Grabungsareals vor Herausforderungen – und zeigte, wie die Natur das Leben vergangener Gesellschaften beeinflusste. Im niederbayerischen Markt Wallersdorf wurde ein Neubaugebiet erschlossen, das 40 Wohneinheiten umfassen sollte. In der Umgebung waren bereits Siedlungsüberreste verschiedener prähistorischer Epochen bekannt. Von April bis Dezember bearbeiteten wir das Gebiet abschnittsweise. Trotz dieses langen Grabungszeitraums mussten wir uns auf Stichproben beschränken. Welche Gebiete versprachen am ehesten Befunde? Und wo hatte eine Kiesgrube des 19. Jh. bereits mögliche Überreste vernichtet?
Der südliche Teil der Grabungsfläche war einst „halbnasses“ Gelände. Zwar strömt die Isar gut 3,5 km von der Grabungsfläche entfernt durch Niederbayern. Doch die Flussauen des Wallersdorfer Mooses reichen deutlich näher an die Siedlung heran, die hier seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. bestand. Dadurch kam es immer wieder zu Überschwemmungen, wie dunkle Ablagerungen im Boden beweisen.
Außerdem war das Grundwasser leicht zu erreichen. Davon zeugen mehrere Brunnen, die wir im Süden des Grabungsareals entdeckten. Deren Dichte der Brunnen lässt vermuten, dass es hier nicht um Trinkwasserversorgung ging. Wahrscheinlich spielten Handwerke mit hohem Wasserbedarf wie Gerberei oder Flachsverarbeitung eine Rolle. Gewohnt wurde dagegen im nördlichen Teil der Grabungsfläche, wo das Gelände trockener war und mehrere Pfostengruben dokumentiert werden konnten.
Die hölzernen Brunnenverkleidungen – teils aus Brettern, Rundhölzern oder Flechtwerk, teils in Form ausgehöhlter Baumstämmen – sind für ihr Alter außergewöhnlich gut erhalten. Diese besonderen Funde, die der Bodenbeschaffenheit zu verdanken sind, konnten per C14-Methode datiert werden. Zusammen mit Keramik- und Metallfunden weisen sie kontinuierliche Besiedelung in Kupfer-, Bronze- und Eisenzeit nach.
Das Grabungsareal: Am dunkleren Erdreich ist gut erkennbar, bis wohin die Überschwemmungen aus dem Isarmoos reichten.
Brunnenbau à la Vorgeschichte, Variante 1: Kastenbrunnen aus Naturholzbohlen, römische Kaiserzeit (?)
Brunnenbau à la Vorgeschichte, Variante 2: in die Erde eingelassener, ausgehöhlter Baumstamm (frühe Bronzezeit) bei der konservatorischen Abtragung
Brunnenbau à la Vorgeschichte, Variante 3: Die fragilen Holzüberreste, die auf dieser Befundzeichnung festgehalten sind, lassen auf einen Brunnen schließen, dessen Wände mit Flechtwerk ausgekleidet waren.
Schaut gut aus für sein Alter: ein Ahorn-Korbboden (ca. 1000 v. Chr.), gefunden in einem der Kastenbrunnen